Sind Kuhglocken eine Ruhestörung?
Die einen meinen: Auf der Weide im flachen Land brauchen Kühe keine Glocken. Die anderen setzen dagegen: Schon immer hat es im Dorf Rinder mit Glocken gegeben. Und der Richter muss schlichten.
Moggel und Winni sind die eigentlichen Gewinner in einem zähen Nachbarschaftsstreit, den jetzt das Augsburger Landgericht beigelegt hat. Denn Kuh und Kalb, die einer alten Bäuerin gehören, dürfen weiter nachts vor dem Schlafzimmerfenster der Klägerin grasen und lärmen – wenn auch in gebührendem Abstand.
Johann und Maria S. waren wegen der guten Luft und der Ruhe aufs Land gezogen. Doch das Gebimmel der Kuhglocken brachte die Eheleute um die Nachtruhe. Das Dorf Mickhausen, wo sie wohnen, liegt vor den Toren Augsburgs. Hier weiden Rinder für gewöhnlich auf eingezäunten Weiden. Deshalb sei es nicht notwendig, ihnen Glocken oder Schellen umzuhängen, trug Klägeranwalt Karl Günzel vor.
Womit er jedoch bei etlichen Zeugen, allesamt Landwirte, auf Widerspruch stieß. Denn die Weiden von Moggel und Winni kreuzt ein Dorfbach und zudem grenzen sie an einen Wald. Schon immer habe es in dem Ort Rinder gegeben, die Glocken tragen.
Doch so schnell wollte die Klägerin nicht aufgeben. Die von ihr zum Beweis vorgelegten Fotos, dass die beiden Rinder direkt unter ihrem Schlafzimmerfenster grasen würden, zog die Gegenseite als „perspektivisch irreführende Aufnahmen“ in Zweifel. „Noch nie haben hier Kühe geweidet, weil das nämlich mein Obstgarten ist“, versicherte die Bäuerin. Schon in den vorausgegangenen Prozessrunden hatten sich Klägerin und Beklagte ein ums andere Mal heftige Wortgefechte geliefert.
Auch der vom Gericht eingeschaltete Gutachter hatte nichts Wesentliches zur Aufklärung beitragen können. Als er sich eines Nachts mit Messgeräten den beiden Rindern näherte, begann es derart stark zu regnen, dass er seine Messungen abbrach. Sein wenig aussagekräftiges Ergebnis: die Lärmspitze im Schlafzimmer der Klägerin könnte über 45 dB (A) liegen.
Angesichts des Risikos, die Prozesskosten durch ein neues Gutachten weiter in die Höhe zu treiben, kapitulierte die Klägerin und stimmte einem Vergleich zu. Danach dürfen die beiden Kühe ihrem Schlafzimmer künftig nicht näher als 120 Meter kommen. Ein neuer Weidezaun soll dafür sorgen, dass der Abstand eingehalten wird. Die Klägerin trägt drei Viertel der Gerichtskosten.
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/geld/nachbarschaftsstreit-gebimmel-unter-dem-schlafzimmerfenster-1.566068